Spannende Beiträge aus Wissenschaft und Praxis – 15. Düsseldorfer Medizinstrafrechtstag findet erstmals „hybrid“ statt
Am 23. November 2024 veranstaltete das Institut für Rechtsfragen der Medizin gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV zum fünfzehnten Mal den Düsseldorfer Medizinstrafrechtstag. Zum ersten Mal fand dieser im Haus der Universität in der Düsseldorfer Innenstadt statt und bot erneut interessante Vorträge aus Lehre und Praxis sowie eine Plattform für angeregte Diskussionen. Ein weiteres Novum: Um die traditionsreiche Tagung noch weiter zu öffnen war in diesem Jahr erstmals auch eine Online-Teilnahme möglich – die Tagung wurde dazu live im Internet übertragen.
Prof. Dr. Helmut Frister, Direktor des Instituts für Rechtsfragen der Medizin an der Heinrich-Heine-Universität, begrüßte die über 70 Teilnehmenden am Morgen mit einleitenden Worten und einem Überblick über das anstehende Programm. Dabei kündigte er zugleich auch eine zukünftige Veränderung an: Ab dem nächsten Jahr wird Prof. Dr. Till Zimmermann, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Heinrich-Heine-Universität und ebenfalls Direktor des Instituts für Medizinrecht, federführend die Ausrichtung des Düsseldorfer Medizinstrafrechtstags übernehmen. Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Stellpflug, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, ergänzte die Begrüßungsworte um einen herzlichen Dank an Prof. Frister für dessen langjähriges Engagement und beglückwünschte ihn außerdem zu seiner kürzlichen Wahl zum Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates.
Den Auftakt der Tagung machte Prof. Dr. Scarlett Jansen von der Universität Trier mit dem jährlichen Update im Medizinstrafrecht, in der sie aktuelle Tendenzen und Entscheidungen aus dem vergangenen Jahr vorstellte. Zentrale medizinstrafrechtliche Entscheidungen behandelten unter anderem die Frage, ob Operationsinstrumente gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB sein können. Prominente Urteile widmeten sich darüber hinaus den Fragen zum Beginn und Ende des menschlichen Lebens. Zu Letzteren hob Prof. Jansen insbesondere die Verurteilungen von suizidhilfeleistenden Ärzten der Landgerichte Essen und Berlin I hervor. Den Schwerpunkt der aktuellen Tendenzen bildete der Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. So widmete sich Prof. Jansen insbesondere der Diskussion um die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs.
Danach stellte Rechtsanwältin Dr. Eva Maria Rütz, LL.M. drei Klassiker der arbeitsrechtlichen Compliance im Gesundheitswesen vor. Dabei entschied sie sich erstens für die Scheinselbstständigkeit bei Ärzten und referierte über verschiedene, hier denkbare Fallkonstellationen. Insgesamt stellte sie fest, dass die Rechtsprechung stetig strenger zu werden scheint und tendenziell ein hohes Risiko der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung besteht. Zweitens referierte Dr. Rütz zu Risiken im Bereich des Drittpersonaleinsatzes im Gesundheitswesen. Dabei gab sie wertvolle Hinweise zu Ausgestaltungsoptionen bei Arbeitnehmerüberlassung. Drittens ging es dann um die Vergütungsgestaltung mit Ärzten. Insbesondere sollten hier Fehlanreize und Korruptionsrisiken vermieden werden.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen, welches wie immer willkommene Gelegenheit für regen persönlichen Austausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern war, widmete sich Rechtsanwältin Dr. Bettina Mecking, Justiziarin bei der Apothekerkammer Nordrhein und dort Geschäftsführerin der Bereiche Recht und Notdienst, den Strafrechtlichen Risiken der Ausübung der Heilkunde durch Apotheker. Dabei stellte sie diejenigen strafrechtlichen Risiken für Apothekerinnen und Apotheker vor, die sich insbesondere aus der Regelung des § 11 Apothekengesetz ergeben. Anlass hierzu lieferten zwei Entscheidungen des LG Nürnberg-Fürth, über deren Inhalt und Konsequenzen Dr. Mecking Auskunft gab. In einem kurzen Exkurs zum Antikorruptionsstrafrecht wies sie auf Fallgestaltungen mit Apothekenbezug hin, in denen die Gefahr einer Korruptionsstrafbarkeit besteht. Besonders problematisch zeigt sich hierbei die Problematik der Patientenzuweisungen an oder von Apotheken.
Im Anschluss referierte Dr. Tillmann Horter, Akademischer Rat a. Z. am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Heinrich-Heine-Universität, zur Einziehung im Medizinstrafrecht. Dabei gab er zunächst einen allgemeinen Überblick zu den materiell-rechtlichen und prozessualen Vorschriften der Tatertragseinziehung, bevor er sodann die spezifischen Anwendungsbereiche und -probleme der Einziehung im Medizinstrafrecht vorstellte. Eine besondere Relevanz der Einziehung sieht Dr. Horter im Rahmen der Strafbarkeit nach § 299a StGB, also auf der Seite des Vorteilsnehmers eines Korruptionsgeschehens. Daneben stellte er auch weitere denkbare, praxisrelevante Fallkonstellationen vor, darunter z. B. Zahlungen für die Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse oder für die Veräußerung unrichtiger Impfzertifikate erlangte Zahlungen.
Den Abschluss der Tagung bildete Rechtsanwalt Dr. Oliver Pragal mit einem Vortrag zur Verteidigung im Medizinstrafrecht mit prozessualen Mitteln – insbesondere beim Sichtungsverfahren (§ 110 StPO) und mittels des Datenschutzrechts (z. B. § 48 BDSG). Einleitend stellte er dabei Hintergründe vor, warum eine prozessual orientierte Verteidigung relevant ist. Der Schwerpunkt des Vortrags lag dann bei der Beanstandung von Rechtsverstößen beim Sichtungsverfahren (§ 110 StPO), sowie der Möglichkeit deren strategischer Nutzung im Rahmen der Verteidigung. Danach referierte Dr. Pragal zu Verteidigungsansätzen anhand von § 48 BDSG, welche sich aus den hohen Anforderungen der Vorschrift zu Erforderlichkeit und zu beachtenden Schutzmaßnahmen bei der Verarbeitung von Patientendaten ergeben. Zum Abschluss des Vortrags widmete er sich Verteidigungsmöglichkeiten, die sich aus einem für den Abrechnungsbetrug im vertragsärztlichen Bereich relevanten Urteil des LG Nürnberg-Fürth ergeben.
Nach den erkenntnisreichen Beiträgen und anregenden Diskussionen verabschiedete Prof. Stellpflug die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung mit einem herzlichen Schlusswort ins Wochenende.